Tirana (Albanien) über Silvester

6. März 2016 at 22:22

Freund: “Wohin fährst du über Silverster?“
Ich: „Tirana.“
Freund: „Tirana – Wo ist das denn?“

So beginnen die meisten Gespräche über unser Reiseziel zu Silvester. Mittlerweile ergänze ich einfach direkt noch das Land: Es geht nach Albanien. Die überschaubare Hauptstadt des Balkan-Anrainers Albanien lockte uns mit einem günstigen Flug, wärmeren Temperaturen und außerdem war noch keiner von uns vieren bisher in Albanien.

So brechen wir am 30. Dezember von Frankfurt auf. Mit dem Flieger geht es erst nach Wien, wo auch die Ausreise aus der EU erfolgt. Danach geht es in etwa 90min nach Tirana. Wie erhofft erwartet uns in Tirana Sonnenschein. Dazu noch ein phantastisches Bergpanorama und Palmen – was will man mehr.

Nach der Einreise, für die auch der Personalausweis langt, werden wir direkt von dutzenden offiziellen und noch viel mehr inoffiziellen Taxifahrern belagert. Wir entscheiden uns trotzdem für den Bus. Unser Argument „To get the local bus experience“ stößt zwar  nicht auf Verständnis, wird aber widerwillig akzeptiert.

Etwa 45min dauert die Fahrt mit dem Bus hinein ins Zentrum von Tirana. Weitere 20min laufen wir von dort zu unserem Hostel. Tirana wirkt auf mich wie so viele andere Hauptstädte im Osten: Wunderbare große Plätze, Prachtstraßen, schicke Kirchen und Museen und dann schaust du einmal nicht richtig hin und fällst in ein Loch, dass mitten auf der Straße im Asphalt klafft. Zum Glück nicht passiert, könnte aber ohne weiteres so geschehen.

Unser Hostel befindet sich in einem beschaulichen Haus, umgeben von Wohnblöcken, in einem Hinterhof, etwas abseits der Prachtstraßen und schicken Plätze. Es ist wunderbar hip-antik eingerichtet, bietet einen kleinen Garten, mit Orangenbäumen und großem Gemeinschaftsraum. Aber es ist kalt: Geheizt werden nur wenige Räume; dafür wird sehr ausgiebig gelüftet. Unser Vier-Bett-Zimmer ist klein, aber ausreichend und verfügt über eine Klimaanlage. Wir sind glücklich als wir erfahren, dass die Klimaanlage auch zum Heizen genutzt wird. Wir hatten schon überlegt, ob die Jacke zum Schlafen ausreicht oder ob wir besser noch ein paar Decken einkaufen gehen sollten.

Schlaue Katze vor dem Ofen im Hostel

Schlaue Katze vor dem Ofen im Hostel

Der Hunger treibt uns direkt wieder hinaus. Auf Empfehlung vom Hostel gehen wir zu „Adriana“. So heißt die Köchin eines kleinen Lokals, gerade um die Ecke. Adriana kocht albanisch, lecker und preiswert. Sie spricht kein Englisch hat, aber glücklicherweise eine englische Karte.

Abendessen bei "Adriana"

Abendessen bei „Adriana“

Gut gefüllt brauchen wir etwas Zeit zum Verdauen im Hostel und brechen am Abend auf. Wir laufen zum Tirana Rock Cafe. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Irish Pub und Hard Rock Cafe. Nach einem zwanzigminütigen Marsch durch die Kälte freuen wir uns über die mollige Wärme im Cafe. Leider gibt es kein lokales Bier und auch keinen Raki (beides war in den meisten „besseren“ Bars nicht zubekommen). Auch ist es ziemlich leer.

Vom Tirana Rock geht es weiter zum Bukowski Pub. Eine hippe Bar, voller Menschen, mit lauter, guter Musik, cooler Einrichtung und jeder Menge großen Portraits von Künstlern an den Wänden. Dazu immer ein weiser oder lustiger Spruch an der Wand.

Gegen Mitternacht verlassen wir den Bukowski Pub und laufen noch einmal durch die Kälte ins nahe Block Viertel. In diesem lebten früher die höheren Führungspolitiker und für das normale Volk war der Zutritt verboten. In den letzten Jahren entstanden dort dutzende Cafes, Bars, Restaurants und Boutiquen. Allerdings finden wir uns nicht wirklich zu recht und sehen weder Bars noch Cafes.

So geht es zurück zum Hostel, entlang einiger weihnachtlich geschmückter Straßen und schön beleuchteter Gebäude.

Donnerstag – 31.12.2015

Gegen halb neun klingelt der Wecker. Zwar bin ich kurz vorher aufgewacht, weil ich es ziemlich frisch fand, aber eigentlich hätte ich es wesentlich kälter erwartet. Nach einer angenehm heißen Dusche geht’s zum Frühstück. Es gibt die Wahl zwischen French Toast, Omelette oder Rührei. Dazu je nach Wunsch selbstgemachte Marmelade oder Käse (dieser typische dicke, weiße Käse, sieht aus wie Feta).

Die Sonne scheint und wir machen uns gegen kurz vor 10Uhr auf den Weg zum Skanderbergplatz. Hier beginnt um 10Uhr die Free City Tour.
Unser Guide hat zwar länger in London gelebt, teilweise ist er aber sehr schwer zu verstehen. Er macht die Tour in Vertretung für seinen Neffen oder Cousin. Das merkt man: Häufig beginnt er bereits zu sprechen, wenn noch nicht die ganze Gruppe angekommen ist (wir sind 6 Teilnehmer, da kann man ruhig warten) und am Ende haben wir das Gefühl er schämt sich für unser Trinkgeld.

Die Tour selbst ist durchschnittlich, aber wir bekommen einen guten Überblick von Tirana. Angefangen am Skanderberg Platz, entlang der alten Moschee (Et’hem-Bey-Moschee) zur Baustelle der neuen Moschee (Xhamia e Madhe e Tiranes), direkt am Parlament. Weiter zur Kathedrale St. Paulus und zur Pyramide (Enver-Hoxha-Museum).


Die Pyramide, die das Museum des ehemaligen Diktators Hoxha beherbergt, wurde von seiner Tochter entworfen. Das Gebäude ist heute verlassen und so richtig weiß man nicht, ob man es schnell abreißen oder als Erinnerung an die Diktatur erhalten und restaurieren sollte. Und während die Albanier sich mit dieser Frage beschäftigen verfällt die Pyramide so vor sich hin. Die Ironie: Man kann die Pyramide erklimmen und so den Diktator „bezwingen“. Das wäre früher unmöglich gewesen.

Der Aufstieg ist steil, aber gut machbar. Es bietet sich ein toller Rundumblick auf Tirana. Der Abstieg ist spannender, da vor allem der Beginn  sehr abgetreten und rutschig ist. Wir setzen die Führung fort und gelangen ins Block Viertel, zum ehemaligen Wohnsitz von Hoxha. Auch dieses vegetiert so vor sich hin; ist allerdings bewacht und wirkt von außen als wäre es gepflegt. Angeblich stehen alle Möbel noch originalgetreu in den Zimmern.

Wir laufen zurück zum Skanderberg Platz und besichtigen dabei noch einen der vielen Bunker – klein, dunkel, eng. Danach schauen wir kurz in die orthodoxe Kathedrale der Auferstehung Christi. Ein moderner Bau, der erst Mitte 2012 fertiggestellt wurde. Am Skanderberg Platz endet die Führung und unser Guide macht sich ziemlich schnell aus dem Staub.

Wir können ihm gerade noch einen Restauranttipp entlocken. Zusammen mit Tim, einem Belgier von der Tour, machen wir uns auf den Weg. Zwar sind wir uns nicht sicher, ob wir im empfohlenen Restaurant gelandet sind, aber es schmeckt wunderbar: Albanisch/türkischer Grill, dazu gebratenes Gemüse und leckere Dipps/Soßen. Kostet noch nicht mal 5€ pro Nase mit Getränken. Nur die Jacken müssen wir anlassen, es ist ziemlich kalt.

Nach dem Essen gönnen wir uns einen Verdauungskaffee bzw. Kakao im Sonnenschein. Wobei meine bestellte „hot chocolate“ eher ein Pudding ist. Aber das passt ja bekanntlich auch wunderbar als Nachtisch. :)

Gestärkt und erholt setzen wir unsere Erkundungstour fort und laufen zu einem relativ modernen Einkaufszentrum. Es gibt keine mir bekannten Läden, sondern nur einheimische Geschäfte, die aber auch internationale Marken verkaufen. Der Supermarkt im Keller überzeugt uns leider nicht: Ziemlich teuer.

Vom Einkaufszentrum laufen wir, jetzt ohne Tim, wieder zu Tirana Rock und somit erneut quer durch die Stadt. Dort kaufen wir uns die Tickets für die Silvesterparty und trinken noch ein Bier. Geschafft vom vielen Laufen kehren wir zum Hostel zurück und ruhen uns aus. Während wir so in unseren Betten vor uns hin schlummern geht auf einmal die Klimaanlage aus. Erst noch etwas verwirrt stellen wir fest, dass auch die Straßenlaternen ausgegangen sind. Stromausfall. Brrrr, hoffentlich nicht so lange. Zum Glück schlafe ich schnell ein.

Als ich gegen 20:30Uhr wieder aufwache brummt die Klimaanlage wieder munter vor sich hin und verbreitet trockene, warme Luft im Zimmer. Nach und nach werden wir wach und machen uns fertig.

Eigentlich wollten wir das Hostel verlassen und uns ein Restaurant suchen, doch im Gemeinschaftsraum werden wir eingeladen mit allen anderen zu Abend zu essen. Einige Gäste haben gekocht und das in ordentlichen Mengen. Schnell noch eine Flasche Wein gekauft und ans „Buffet“ gestellt.

Etwa eine Stunde vor Mitternacht brechen wir auf. Tim begleitet uns wieder.  Wir laufen durch die kalte Stadt zum Mutter Theresa Platz. Diesen bzw. die darauf zuführende Straße hat uns der Guide heute Mittag empfohlen. Die Straße ist für den Verkehr gesperrt und so langsam füllt es sich.

Am Mutter Theresa Platz erwarten uns einige Stände und eine große Bühne mit Showprogramm (wird wohl auch im Fernsehen übertragen).  Ein freundlicher Albaner lädt uns zu einem Bier ein und kurze Zeit später beginnt auch schon der Countdown … 3 … 2 … 1: Frohes neues Jahr! Das Feuerwerk beginnt. Ich muss gestehen, nach den vielen Raketen und Krachern, die man so am Straßenrand kaufen kann, hätte ich schlimmeres erwartet. Es ist nett anzusehen, aber schon nach 10min wieder vorbei. Aber die Böller sind deutlich lauter als in Deutschland.

So laufen wir recht früh wieder zum Tirana Rock. Dort angekommen sind wir die ersten Gäste. Silvester wird in Albanien traditionell mit der Familie gefeiert, bevor dann manche nachts noch zu einer Feier gehen.
Meine Sektbestellung geht in die Hose und wir bekommen Aperol :( Auch sonst werden zumindest die Cocktail Bestellungen virtuos ausgelegt und bunt gemixt. Das schmeckt mal erstaunlich gut und mal ziemlich bescheiden.

Es füllt sich langsam, aber stetig. Irgendwann beginnt die Band zu spielen: Die rockt ziemlich, hat eine top Songauswahl und verbreitet gute Stimmung. Der Sänger – Bushpepa – ist wohl ziemlich bekannt in Albanien.

Irgendwann am frühen Morgen haben wir genug. Nächstes Ziel Essen. Das wird leider ziemlich schwierig, da der nächste Big Bite geschlossen hat (Empfehlung im Pub, der hätte 24h geöffnet…). Dafür weiß natürlich unser Taxifahrer, wo es noch etwas gibt. Doch als wir die Tür erreichen sehen wir nur jemanden Putzen. Auch der nächste Big Bite ist geschlossen, obwohl dieser ebenfalls 24/7 geöffnet sein sollte. Der letzte Versuch klappt endlich und so laufen wir mit einigen Einheimischen zum Döner. Interessanterweise hat ein Döner hier immer Pommes; also Pommes zwischen Fleisch, Salat und Soße. Aber es schmeckt hervorragend (kann auch an der Uhrzeit liegen).

Mit dem nächsten Taxi geht’s zum Skanderberg Platz und dann zu Fuß zum Hostel.

Freitag, 01.01.2016

Ein sehr gemütlicher Tag. Wir schlafen so richtig lange aus und verlassen erst am Nachmittag das Hostel. Dafür haben wir jetzt auch ordentlich Hunger. Doch dieser ist nicht leicht zu stillen: Erst nach langer Suche finden wir ein Restaurant. Gelandet sind wir im Taiwan Center, das mit seiner Architektur einem Oktopus und seinen acht Armen ähnelt. Dort gibt es einen Italiener; schmeckt zwar nicht überragend gut, aber es macht satt. Und entsprechend unserer Verfassung lassen wir uns jede Menge Zeit.

Am frühen Abend laufen wir zum Sky Tower und fahren hinauf in die Sky Bar. Die Bar dreht sich und bietet einen schönen Blick auf die Stadt. Allerdings ist das Bar Konzept etwas komisch, da es keine heißen Getränke gibt. Evtl. gibt es die auch einfach am Abend nicht mehr, denn ein großer Kaffeeautomat ist vorhanden. Aber auch Tee will man uns nicht servieren.

Zum Abendessen gehen wir wieder ins Blockviertel. Aber auch hier müssen wir sehr lange suchen um ein geöffnetes Restaurant zu finden. Schlussendlich landen wir in einem hippen Cafe, das zumindest die kleine Speisekarte anbietet. Diese entpuppt sich als ziemlich üppig und das Essen als sehr lecker.

Nach dem Abendessen laufen wir zurück zum Hostel.

Samstag – 02.01.2016

Der Wecker klingelt zeitig, wir stehen auf, frühstücken und machen uns zu Fuß auf den Weg zum Busbahnhof. Nach 30min Fußmarsch kommen wir an. Es beginnt das Suchen nach dem richtigen Bus, denn keiner der bereitstehenden Busse fährt zu unserem Ziel Kruja. Nach etwas im Kreislaufen erfahren wir, dass wir am Busbahnhof für die Fernbusse sind und der Bus nach Kruja wohl direkt an der Straße hält. Wir laufen zurück zur Straße, finden eine Bushaltestelle bzw. ein Bushalteschild an einer Straßenlaterne. Aber keine Abfahrtspläne. Mangels besserer Alternativen warten wir. Von den Passanten spricht keiner Englisch. Kurz bevor wir das Warten aufgegeben hätten, kommt ein Bus nach Fushje Kruja und somit in die passende Richtung.

Der Bus ist nicht groß und ziemlich voll. Wir stehen für gute 45min, bis wir in Fushje Kruja ankommen. Zum Glück steht der Bus nach Kruja schon bereit und sogar Sitzplätze können wir ergattern. Über viele Kurven geht die Fahrt nun etwas hinein in die Berge bzw. hinauf zum Fuß der eigentlichen Berge. Etwa eine halbe Stunde später haben wir Kruja erreicht.

Im Frühmittelalter war Kruja ein lebhaftes Zentrum, wurde von osmanischen Truppen erobert, bevor dann Skanderberg die Stadt zurückeroberte. Von der Festung Kruja verteidigte Skanderberg danach mehrere Jahre lang Albanien vor den Osmanen. Entsprechend wichtig ist für die Albaner die Festung in Kruja. Es gibt in der Festung auch ein Skanderberg Museum (leider mit ausgeprägter Mittagspause, so dass der Besuch für uns nicht möglich ist).

Durch die schön restaurierte Altstadt laufen wir, nach einem kleinen Kaffee & Kuchen Mittagessen,  hinauf zur Festung. Wir genießen den Blick hinab auf die Stadt und können sogar am Horizont das Meer erkennen. Kruja wirkt dabei schön hergerichtet, aber es gibt zu viele kleine touristische Läden.

Viele Fotos später kehren wir wieder den Rückweg an, da die letzten Busse bereits gegen 16Uhr fahren. Erneut steigen wir in Fushje Kruja um, freuen uns aber über Sitzplätze auf der Rückfahrt nach Tirana.

Wieder in Tirana laufen wir kurz zum Hostel und gehen danach in dem kleinen albanischen Lokal Oda Essen. Dort gibt es neben traditionellen Essen, Salat, Bohnen, Schaaf bzw. Hammel, gefüllte Paprika auch albanischen Wein und zum Abschluss einen Raki. Der lockert übrigens wunderbar die Zunge.

Die Stimmung passt also auf zur nächsten Bar, auf ins Block Viertel. Wir landen in der Ruin Bar, die zwar urig, ruinenartig eingerichtet ist, aber einen miesen Service und schlechte Getränke bietet. Die nächste Bar, Izzy Living, ist dafür umso besser.

Zum Abschluss des Abends geht’s nochmal ins Tirana Rock (wieder mit Band), danach noch einmal zu Big Bite für einen Mitternachtssnack und dann nach einem langen Tag zurück zum Hostel.

Sonntag – 03.01.2016

Zwar klingelt der Wecker früh, doch das Aufstehen dauert. So verschiebt sich alles. Eigentlich wollten wir entweder mit der Seilbahn auf den Hausberg von Tirana oder ins Museum, doch kurz bevor wir auschecken fängt es heftig an zu regnen. So heftig, dass wir beides lieber ausfallen lassen. Nur Jens zieht tapfer hinaus in den Regen.

So relaxen wir erst noch im Zimmer, dann im Gemeinschaftsraum bis gegen 12:30Uhr unser Taxi zum Flughafen kommt. Gut, dass wir uns für das Taxi entschieden haben, so wie es regnet wären wir sonst nass bis auf die Knochen.

Am Flughafen checken wir ein, gehen durch die Sicherheitskontrolle, reisen aus Albanien aus und warten auf den Abflug. Erneut geht es erst nach Wien und von dort weiter nach Frankfurt. Der Flug von Tirana ist bereits etwas verspätet und auch der Flug nach Frankfurt startet gute 30min später.

Irgendwie hats mich am letzten Tag doch noch erwischt: So kratzt mein Hals, beim Fliegen verspüre ich Druck auf den Ohren und fühle mich insgesamt einfach nur Schlapp. Umso mehr freue ich mich, dass wir in Frankfurt landen und ich in 30min Zuhause bin.

 

PS
Tirana und Kruja eigenen sich hervorragend für Bandfotos. Also die Fotos haben wir, jetzt fehlt nur noch Bandname und musikalisches Talent :)